38. Sendung am 16. Dezember 2009
Monday, 30. Nov 2009
Der Druck nimmt zu. In allen gesellschaftlichen Bereichen werden die Daumenschrauben angezogen. Staat und Chef verlangen längere Arbeitszeiten, die Beauty-Industrie einen perfekten Körper und den eigenen Kindern steht der Sinn nach immer ausgefeilterer Ausstattung.
Da kommt Unicato gerade recht und zeigt mit seinem aktuellen Programm, dass es auch anders geht. Mit einem Lebensmodell jenseits des Mainstreams, weder mit noch gegen den Wind. Denn es gibt sie noch, die Lebenskünstler. Menschen, die sich gelassen den Zumutungen einer sich mehr und mehr beschleunigenden Kultur verweigern. Aussteiger, die der Welt den Finger zeigen. Und sie sind überall. Gott sei´s gedankt!
In zwei Dokumentarfilmen präsentieren Maren Kießling und Oliver Schein ( Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg) sowie Nancy Brandt und Thomas Doberitzsch (Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig) Vertreter einer selten gewordenen Spezies Mensch.
Olli aus dem sachsen-anhaltischen Lochau ist genauso ein Lebenskünstler wie Pero aus Dubrovnik an der kroatischen Adriaküste. Während „Lochau-Olli” gern angelt, einen Faible für Schrott hat, von einer Frau und einem Bauernhof träumt, aber eigentlich noch viel lieber für sich ist, zeigt sich Pero Miljkovic als amüsanter Gastgeber. Der Kroate in den Fünfzigern ist Bildhauer mit einem handfesten Alkoholproblem und kann auf ein anekdotenreiches Leben zurückblicken. Pero hat den Schalk im Nacken. Nur wenn man ihn auf die Serben und den Krieg anspricht, wird er ärgerlich…
Eine Woche vor dem Fest der Liebe leistet Unicato, das studentische Filmmagazin, seinen programmatischen Beitrag zur Konsumverweigerung. Aber gucken darf man.
What to drink?
Nancy Brandt, Thomas Doberitzsch, Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig
Pero ist Bildhauer. Er zaubert aus dem weißen Küstengestein Gesichter, Vasen, Skulpturen. Darunter ist auch Madame Pis Pis. Die stolze Dame kann „Wasser lassen”, wenn Pero im Inneren seines Ateliers auf einen Knopf drückt. Durch sie sind schon einige Touristen nass geworden Doch Bildhauer war Pero nicht immer. Er verkaufte selbstgemachte Limonade, studierte Geschichte in Zagreb, kellnerte in einem berühmten touristischen Restaurant, war Manager der Musikgruppe „Dubrovacki Trubaduri” und besaß ein altes deutsches Unterseeboot, in dem er die Diskothek „Yellow Submarine” betrieb.
Pero ist ein Lebenskünstler. Man kann über alles mit ihm reden. Über Dubrovnik, sein aufregendes Leben, aber auch über die Politik und den „Vaterländischen Krieg”, wie ihn die Kroaten nennen. Doch etwas ist anders, wenn man auf dieses Thema zu sprechen kommt. Peros gemütliche, immer zu Späßen aufgelegte Stimme wandelt sich in eine zornige. Wütend redet er über die Politiker, die alle Banditen sind, und über das serbische Volk, an dem er kaum ein gutes Wort lässt. Das ist die andere Seite von Pero. Wie auch bei allen anderen Bevölkerungsgruppen des ehemaligen Jugoslawiens hat der Krieg bei ihm eine tiefe Wunde hinterlassen. Kann man ihn verstehen? Rechtfertigt die Geschichte seine Meinung? „What to drink?” fragt er und der Zuschauer betritt seine kleine Welt. (35 Min.)
Lochau-Olli
Maren Kießling, Oliver Schein, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Eigentlich eine ganz alltägliche Geschichte. Olli aus Lochau in Sachen-Anhalt ist keineswegs der Typ, der es in die Nachrichten schaffen könnte und selbst für die meisten Boulevardmagazine wäre vermutlich seine Geschichte zu unspektakulär. Denn es geht darum, was Lochau-Olli sich für sein Leben wünscht. Doch genau das macht diesen Beitrag zu etwas ganz besonderem. Mit viel Gefühl wird in aller Kürze Ollis Geschichte erzählt. Eine Geschichte, die für so viele Jugendliche in Sachsen-Anhalt gelten könnte. Im Zeitalter schneller teurer Autos, Handys und Supermodels will Olli ein ganz normales Leben führen. Einen kleinen Bauernhof, eine Frau und das Sammeln von Sperrmüll als Job, das ist es, was Lochau-Olli sich wünscht. (5:07 Min.)
„Lochau-Olli” entstand am Institut für Medienwissenschaften von Prof. Dr. Gerhard Lampe der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Rahmen des Seminars „Dokumentarisch arbeiten” unter der Leitung von Steffi Schültzke.