74. Sendung am 24. Februar 2013
Wednesday, 06. Nov 2013
Der junge Inder Karthik hat es sich in den Kopf gesetzt zu heiraten. Eine traditionelle indische, das heißt arrangierte Hochzeit soll es sein. Dazu reist Harvard-Absolvent aus den USA zurück nach Indien.
„Ehen werden im Himmel geschlossen, aber hier auf Erden gefeiert.“, lautet ein schönes Sprichwort. Der Dokumentarfilm „Marriages are made in heaven“ von Anna Martinetz begleitet den Heiratswilligen Inder Karthik, dessen Familie und seine Braut Sri beim Kennenlernen im Internet, durch die ritualisierte Eheanbahnung, die pompöse Hochzeit und trifft die beiden nach Jahren in den USA wieder, wo sie sich ein bürgerliches Leben aufbauen wollen.
Doch wie ist es, wenn man plötzlich mit einem Partner zusammenleben soll, den man erst fünfmal in seinem Leben gesehen hat? Kann daraus Liebe entstehen? Karthik bringt es auf den Punkt, wenn er sagt: „Im Westen heiratest du die Person, die du liebst. In Indien liebst du die Person, die du heiratest.“
Filmemacherin Anna Martinetz lernte Karthik während ihrer gemeinsamen Studienzeit am Trinity College in Cambridge kennen. Sie war wie ihr gesamtes Umfeld überrascht von den Hochzeitsplänen des liberalen jungen Inders. Kurzentschlossen begleitete sie Karthik im Jahr 2003 nach Indien, um mit Erlaubnis seiner Familie die Hochzeit zu dokumentieren. Besonders gespannt war Martinetz auf die Braut, die auch Karthik bis zu seiner Eheschließung nur fünf Mal zu Gesicht bekam. Und umgekehrt.
Der Film nähert sich dem Thema zwar aus westlicher Sicht, aber immer unvoreingenommen und offen. Vielmehr zeigt er eine Vielzahl von herzlichen Begegnungen, auf Kosten des für interkulturelle Dokumentationen oft so üblichen erhobenen Zeigefingers. Bisweilen hätte ein wenig mehr Distanz dem Film gut getan, insbesondere die Perspektive der Braut und ihrer Familie gerät im Film ins Hintertreffen.
Alle Seiten konnte Martinetz auch nicht widerspiegeln. Das hatte schon produktionstechnische Gründe, meisterte sie den Dreh doch als Einzelkämpferin. Und so musste sie sich auch mit allen Problemen herumschlagen, die einer Filmemacherin auf dem „Subkontinent“ begegnen können: schlechte Stromversorgung, strapaziöse Zugfahrten, Kriminalität. Auch das Elend, das einem in Indien auf Schritt und Tritt begegnet, insbesondere die vielen Straßenkinder, ließen Martinetz nicht unberührt.
Vier Jahre nach der Hochzeit besuchte sie Sri und Karthik erneut in den USA. Davon handelt der zweite Teil des Films. Beide arbeiten an ihrer Karriere, arrangieren sich gut mit den westlichen Gepflogenheiten. So wie viele Inder im Ausland. Und sie scheinen auf eine seltsam distanzierte Weise glücklich miteinander – wie gute Kameraden. Mittlerweile leben die Beiden in San Diego. Karthik ist Assistenzprofessor, Sri ist Hausfrau und betreut den gemeinsamen Sohn.
Eine Wiedersehen mit Anna Martinetz ist angedacht. Fortsetzung folgt.
Hintergrund
Es mag für uns ein wenig befremdlich erscheinen, aber so wie Sri und Karthik entscheiden sich viele junge Inder für eine arrangierte Ehe, auch wenn Liebesheiraten nach westlichem Muster immer mehr zunehmen.
Arrangierte Heiraten folgen traditionellen Kasten-Gepflogenheiten. In der städtischen Mittelschicht ist es üblich, dass sich die Brautleute im familiären Rahmen kurz treffen, um einen ersten Eindruck vom potentiellen Partner gewinnen zu können. Die Treffen sind zumeist sehr kurz, so dass keinesfalls von Kennenlernen gesprochen werden kann. Es handelt sich jedoch nicht um Zwangsheiraten, denn die Heiratskandidaten haben ein Vetorecht, wenn die „Chemie“ zwischen den Brautleuten nicht stimmt. Dann müssen sich die Eltern nach einem neuen möglichen Partner umsehen.
Im Schwellenland Indien sind längst Internetagenturen bei den Hochzeitsarrangements behilflich. Aus großen Datenbanken kann der künftige Partner mit den richtigen Kriterien ausgewählt werden. Von besonderer Bedeutung dabei ist das so genannte „Horoscope Matching“. Nur wenn die Astrologen grünes Licht geben, ist der Ehe ein glücklicher Verlauf beschieden. Hochzeiten werden eben im Himmel gemacht.