76. Sendung am 26. Mai 2013

Wednesday, 06. Nov 2013

Im Mai zeigt Unicato einen Dokumentarfilm aus Kolumbien. Der studentische Filmemacher Luis Eduardo Villacis hat in den Anden das beschwerliche Leben der Zuckerrohr-Bauern beobachtet.

Der Süden Kolumbiens, ein Dorf inmitten der Anden: es ist „Molienda“, die traditionelle Zeit der Herstellung der Panela, der getrockneten Melasse aus Zuckerrohr. Und es ist die Zeit der Ernte. An den steilen Hängen der Anden schlagen Bauern die drei Meter hohen Halme. Die einzigen Werkzeuge sind ihre Macheten – eine mühsame Knochenarbeit für Mensch und Tier. Pferde transportieren das Zuckerrohr in die weit entfernte Trapiche, die Zuckerrohrmühle. Dort wird der ausgepresste Zuckerrohrsaft verkocht und getrocknet. Bis zu 20 Stunden täglich sind die Bauern in der Zeit auf den Beinen. Das gesamte dörfliche Leben kreist um die „Molienda“.

Der kolumbianische Studierende Luis Eduardo Villacis lässt den Zuschauer an diesen für die kolumbianischen Zuckerrohrbauern so bedeutsamen Vorgängen teilhaben. In seinem 45-minütigen Dokumentarfilm „Trapiche“ verwebt der junge Filmemacher die einzelnen Schritte der Melasse-Herstellung zu einer einzigen bildgewaltigen Beobachtung: die Felder an den steilen Hängen, die Schläge mit den Macheten, die privaten Gespräche in den kurzen Arbeitspausen, die verwitterten Gesichter der Bauern, begleitet von Müdigkeit, Musik und Rauch.

Villacis verzichtet im Film weitgehend auf eine erzählerische Struktur. Es gibt keine nachvollziehbare Reihenfolge der Arbeitsgänge, von Vor- und Nachher, alles findet simultan statt. Wie in einem Traum. Es wird geerntet und Pferde schwer beladen die steilen Andenhänger hinaus- und hinabgetrieben. Die Kulisse ist grandios. Weniger grandios sind die Arbeits- und Lebensbedingungen in und um die Trapiche. Es ist heiß, schmutzig, gefährlich.

Der Film zeigt alles – und entwickelt daraus seine Haltung. Die Einstellungen sind lang, durch die fotografische Komposition sind die Bilder gleichermaßen schön und abstoßend. Die Welt in dem kleinen Andendorf wirkt natürlich und menschenunwürdig zugleich. Für den Filmemacher ist diese Beziehung aus Mensch, Landschaft und Lebensbedingungen Basis kolumbianischer Kultur.

Luis Eduardo Villacis drehte „Trapiche“ als Abschlussarbeit für sein Film-und Fernsehstudium an der Universidad Nacional de Colombia in Bogota. Das Thema brannte ihm schon lange unter den Nägeln. Er wuchs ganz in der Nähe des Dorfes auf, das er zum Schauplatzes seines Dokumentarfilmes machte. Bereits als Kind beobachtete er die Zuckerrohrbauern seiner Heimatregion bei der Herstellung der Melasse – ihrer Lebensgrundlage. Die Bauern betrachteten Villacis als einen der ihrigen – sicher ein Grund für die authentische Wirkung von „Trapiche“.

Luis Eduardo Villacis lebt in Leipzig und studiert seit dem Sommersemester Medienkunst/Mediengestaltung an der Bauhaus-Universität Weimar.

Coca, Guerilla und Paramilitärs

Luis Eduardo Villacis Zuckerrohrmühle liegt im Südwesten Kolumbiens, unweit der Grenze zu Ecuador. Das deutsche Auswärtige Amt rät Bundesbürgern davon ab, dieses Gebiet zu bereisen. Zu groß ist die Gefahr, Opfer von Entführungen oder Gewaltakten zu werden, die die allgemeine Drogenökonomie Kolumbiens begleiten. Zwar hat sich die Sicherheitslage in den vergangenen Jahren deutlich verbessert, aber noch immer kommt es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Polizei, Militär, rechten paramilitärischen Gruppen, linken Guerillas und dem organisierten Verbrechen. Ein bedeutendes Motiv für die Kriminalität in Kolumbien ist nach wie vor der Koka-Anbau und der Handel mit Kokain im großen Maßstab. Die großen Kartelle wurden in den 1990er Jahren weitgehend zerschlagen, dafür übernahmen andere Gruppen den lukrativen Handel mit dem weißen Pulver. Polizei und Militär gehen zwar mittlerweile wesentlich entschlossener gegen Drogenhändler vor (vor allem auf Druck der USA), dennoch leben viele Angehörige der staatlichen Exekutive gut von der Zusammenarbeit mit den Drogenhändlern. Auch die Guerilla-Organisation FARC und rechte Paramilitärs partizipieren am Drogenanbau und -handel. Beiden Gruppen gemein ist, dass sie immer wieder Zweckbündnisse mit der organisierten Kriminalität schließen, um an den hohen Drogengewinnen mitzuverdienen. Die kolumbianische Regierung hat zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um die Lage im eigenen Land in den Griff zu kriegen und das staatliche Gewaltmonopol wieder herzustellen. Die FARC ist nach massiven Auseinandersetzungen mit dem kolumbianischen Militär erheblich geschwächt. Momentan laufen Gespräche zwischen Regierung und Rebellenführung. Dabei geht es um die politische Teilhabe und die strafrechtliche Behandlung seitens der Guerilla begangener Straftaten, die Beendigung der Drogenwirtschaft und die Demobilisierung, Opferentschädigung und die Rückgabe besetzter Landesteile.

Auch die rechten Paramilitärs werden seit 2005 demobilisiert.