32. Sendung am 3. Juni 2009

Tuesday, 02. Jun 2009

90 Jahre Bauhaus — die Meister sind tot, doch die Schüler filmen weiter: 90 Minuten lang ist das Unicato Special „Young Bauhaus Today”, das filmische Arbeiten von Studierenden deutscher Hochschulen präsentiert, die in der Auseinandersetzung mit dem Bauhaus entstanden sind. Zu sehen sind filmische Bezugnahmen auf die historischen Film-Experimente der Bauhäusler und Interpretationen ihrer Ideen. 18 aktuelle Beiträge fokussieren ganz unterschiedliche ästhetische und gesellschaftspolitische Fragestellungen des klassischen Bauhauses und übersetzen sie in die Gegenwart. Unterschiedliche Schwerpunkte strukturieren das Programm von „Young Bauhaus Today”. Die ungewohnte Bildgeometrie zweier Filme des diesjährigen Full-Dome-Festivales in Jena umrahmen Unicato im Juni mit einer besonders experimentellen Klammerung. Den Auftakt bilden Interpretationen bekannter Bauhaus-Arbeiten wie der Breuer-Stuhl B3 „Wassily” oder das Weimarer Haus am Horn, weitere Beiträge übertragen das Werk der Bauhaus-Künstler Marianne Brandt und László Moholy-Nagy in anspruchsvolle filmische Kompositionen.

Mit „Young Bauhaus Today” setzt Unicato der wohl wichtigsten deutsche Gestaltungsschule ein filmisches Denkmal und macht deutlich, dass Bauhaus und Film eine Beziehung eingehen können. Die Ansicht, dass die Bauhaus-Meister mit dem Film nicht viel anfangen konnten, ist nach wie vor weit verbreitet. Dabei hat die Kinematografie in der Programmatik, vor allem bei László Moholy-Nagy, eine große Rolle gespielt. So hat der zunächst als Formmeister der Metallwerkstatt und Leiter des Vorkurses in Weimar beschäftigte später vergeblich versucht, die ihm zugesagte „Versuchsstelle für Filmkunst” am Bauhaus einzurichten. Einzig die Sowjetunion hatte zu dieser Zeit mit dem Institut für Kinematographie (WGIK) in Moskau eine vergleichbare Institution.

Das Unicato-Special „Young Bauhaus Today” präsentiert zeitgenössische deutsche Kurzfilme zum 90. Bauhaus-Jubiläum als studentisches Galerie- und Kinoprogramm, das sowohl als Unicato-Sondersendung als auch im Rahmen einer 3SAT-Themennacht einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.

Raumschwindel

Robert Sawallisch, Bauhaus-Universität Weimar, Fakultät Medien, 3:08 Min.
Der Begriff „Raumschwindel” des Kunsthistorikers Wilhelm Worringer (1881-1965) wurde zur Beschreibung des räumlichen Erlebens in der Publikation „Formprobleme der Gotik” (1911) erstmals verwendet. Viele Bauhäusler, insbesondere Paul Klee, wurden durch Worringers Ideen beeinflusst. Der Film „Raumschwindel” visualisiert die Weiterentwicklung der gotischen Kathedrale im Sinne des Bauhauses. Dessen Formen und seiner expressionistischen Vorreiter werden im Film zu kathedralenhaften Mosaiken kombiniert und intensivieren das Raumschwindelgefühl, welches das Innere einer gotischen Kathedrale beim Betrachter auslöst. „Raumschwindel” wurde als 360° Ganzkuppel-Projektion beim 3. Full-Dome-Festival in Zeiss-Planetarium Jena im Sonderprogramm „Bauhaus in den Sternen” gezeigt. http://www.fulldome-festival.de

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Mein Haus am Horn

Michael Marianek, Bauhaus-Universität Weimar, Fakultät Medien, 6:00 Min.
Der Film beschwört den Geist des berühmten Hauses, das in der Straße „Am Horn” in Weimar für die erste große Bauhaus-Ausstellung 1923 gebaut wurde. Nach nur viermonatiger Bauzeit wurde ein Versuchshaus errichtet, das als „Haus Am Horn” in die Architektur- und Designgeschichte einging. Der Entwurf für das Musterhaus stammt vom damals jüngsten Bauhaus-Meister Georg Muche und stellt den Höhepunkt der Ausstellung dar, an der sämtliche Werkstätten des Bauhauses am Bau und an der künstlerischen Ausgestaltung des Hauses beteiligt waren.

Virtual Construction – Stories from a Bauhaus Chair

Matthias Popp, Hochschule Anhalt (FH), Fachbereich Design Dessau, 1:16 Min.
Die Konstruktion des von Marcel Breuer 1925 gefertigten Stahlrohrsessel B3 „Wassily” wird virtuell nachvollzogen – von der technischen Zeichnung bis zum fertigen Produkt. Ausgehend von zunächst wenig definierten und verschwommenen Entwürfen bis zum realen Objekt im realen Raum überführt der Film die Konstruktionsgeschichte des über 80 Jahre alten Stuhls in zeitgemäße effektvolle Bilder.

Kein Tag ohne Suche

Maria Regenspurger, Franziska Ptak, Sylvia Steinhäuser, Hochschule Anhalt (FH), Fachbereich Design Dessau, 6:33 Min.
Dieser experimentelle Film ist eine sinnliche Annäherung an das Leben und Schaffen der Bauhäuslerin Marianne Brandt, die als eine der wenigen Frauen in der Metallwerkstatt des Bauhauses Ikonen des Produktdesigns hervorbrachte. Fotografie, Collage, Licht und Glas waren Gegenstand ihrer künstlerischen Arbeit und bildeten auch den Stoff für die filmische Übertragung. Eine Spurensuche, die in Dessau entstand.

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Wer weiß, ich nicht

Franziska Ptak, Sylvia Steinhäuser, Hochschule Anhalt (FH), Fachbereich Design Dessau, 7:33 Min.
Der Film „Wer weiss, ich nicht” zeigt die emotionale Seite der Marianne Brandt und entstand auf der Basis ihrer Gedichte und der Collage „Unsere irritierende Großstadt”. Der Film wird getragen von der Musik und dem Gesang der jungen Berliner Künstlerin Marlen Pelny.

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DOT • The book as a video

Jörg Petri, Hochschule für Bildende Künste Braunschweig, 4:32 Min.
DOT ist ein experimentelles Musikvideo, das den Medienübergriff des Punktes thematisiert: Es wurden 300 Seiten mit Bleibuchstaben im Buchdruck gedruckt, für das Video reproduziert und hintereinander geschnitten. Diese 300 Seiten wurden auch zu einem Buch gebunden, so dass Buch und Video den identischen Inhalt haben. Das Video ist das Buch, das Buch ist das Video.

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Dynamik der Groß-Stadt: László Moholy-Nagy

Schroeter und Berger, Bauhaus-Universität Weimar, Fakultät Gestaltung, 10:59 Min.
1921/22 entwickelt der spätere Bauhausmeister László Moholy-Nagy als Beispiel für seine Vision eines Simultan- und Polykinos die „Skizze zu einem Film”, den er jedoch nie verwirklicht. Einzig blieb ein Filmmanuskript über die „Dynamik der Gross-Stadt”, die Moholy-Nagy als avantgardistische Typofoto-Arbeit und Lesefilm entwickelte. Schroeter und Berger haben diese grafisch spannungsreiche Vorlage als Gerüst für einen Animationsfilm mit Hilfe der Collagetechnik und eigenem Bildmaterial realisiert. Die Aktualität Moholy-Nagys spiegelt sich in der Aneinanderreihung rasanter Abfolgen bewegter,
großstadtspezifischer Symbolik in Bild, Text und Ton.

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_grau

Robert Seidel, Bauhaus-Universität Weimar, Fakultät Medien, 10:01 Min.
„_grau” fächert die Erinnerungsfragmente eines Autounfalls auf und lässt diese Sekundenbruchteile ätherisch am Betrachter vorbei gleiten. Hierzu wurden mannigfaltige Experimente durchgeführt, gefiltert und eher zu skulpturalen als zu filmischen Erinnerungseinheiten zusammen gefasst, die einen nicht allein abstrakten, sondern sehr persönlicher Blick auf die letzten Sekunden eines Lebens gewähren.

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Grundlos

Daniel Burkhardt, Kunsthochschule für Medien Köln, 1:07 Min.
Der Blick auf eine urbane Bodenstruktur. Die Fugen formen ein Raster, das bebt und pulsiert, dazwischen kleine Inseln der Ruhe. Doch auch jene Ruhepunkte sind ständig in Bewegung, wandern, zerfallen, entstehen an anderer Stelle neu.

76-108

Viktor Hoffmann, Bauhaus-Universität Weimar, Fakultät Architektur, Fakultät Medien,
4:45 Min.
„76-108″, die musikalische Satzbezeichnung für Andante – ein bestimmtes Maß, mit offenem Interpretationsrahmen.

Querfahrt – Raumfahrt

Khemais, Brunik, Iwanow, Witthöft, Bauhaus-Universität Weimar, Fakultät Architektur, Fakultät Medien, 1:21 Min., 0:57 Min.
Anhand der klassischen Darstellungsweise von Architektur mittels Zeichnung und Perspektive interpretiert der Film „Querfahrt” den Schnitt durch ein Gebäude mit einer Kamera. Der filmische Schnitt ersetzt den architektonischen durch das Mittel der Montage. Ergebnis ist ein Scan durch ein Bauwerk. „Raumfahrt” bedient sich eines Modells, um durch Video und Projektion architektonische Gedanken im öffentlichen Raum zu veranschaulichen.

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Das Modell

Florian Gwinner, Bauhaus-Universität Weimar, Fakultät Gestaltung, 6:05 Min.
Die rückwärts gerichtete Kamerafahrt durch ein Modell zeigt eine zunächst karge, weiß grundierte Landschaft. Gerade und konsequent führt der Kameraweg durch eine immer dichter werdende und im Maßstab ständig vergrößerte modellhafte Bebauung mit Papierzäunen, einzelnen Häusern, Bäumen, der schließlich in der realen Gegenständlichkeit eines Arbeitszimmers endet. „Man fährt durch ein Modell und hält in der Realität, um sich im Modell wieder zu finden.” (Gwinner)

Rauschen & Brausen I

Daniel Burkhardt, Kunsthochschule für Medien Köln, 4:49 Min.
Burkhardts Videoarbeit ist ein gelungenes minimalistisches Medienwerk, das durch konzeptuelle Klarheit, stringente Komposition und meisterliches Timing überzeugt. Die Präzision und geschickte handwerkliche Ausführung dieser digitalen Bildkomposition offenbaren dem Zuschauer eine radikale Reduktion der Urbanität, die sich durch den Prozess stetiger Doppelung immer mehr abstrahiert und am Ende auflöst in eine Landschaft des Ungewissen.

Les temps qui changent

Thomas Oswald, Hochschule für bildende Künste Hamburg, 5:10 Min.
Zwei Freunde stehen auf dem Balkon eines Hochhauses und sprechen über ihre alten Ideale. Dabei werden sie sich ihrer Position in der heutigen Gesellschaft bewusst. (französisches Original mit deutschen Untertiteln)

Reality Check

Uwe Flade, Ruhr-Universität Bochum, 3:36 Min.
In dem Musikvideo Reality Check haucht Schneider TM mit einer Fernbedienung den tristen Betonblöcken der Ruhr-Universität Bochum ungeahnte Lebendigkeit ein.

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Visual Music

Jan Schönwiesner, Hochschule Anhalt (FH), Fachbereich Design Dessau, 4:26 Min.
Plattenbauten, deren Bauverfahren mit vorgefertigten Betonteilen in Anlehnung an die Ideen des Bauhauses erfolgte, werden mit ihrem uniformen Fassadenbild filmisch dekonstruiert. Angelegt als Alptraum und zu einem progressiven Rhythmus beginnen die Gebäude aus DDR-Zeiten zu leben. Wirbelnde Wandscheiben, splitterndes Glas und berstender Spannbeton tanzen zu den Jungle-Vibes von Amon Tobin.

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Der Kubus

Christian Sturm, Jan Goldfuß, Bauhaus-Universität Weimar, Fakultät Medien, 1:30 Min.
Was geschah wirklich mit dem Weimarer Kubus im Ilmpark? Die kubische Form der ehemaligen Theaterbühne des Kunstfests legt sich in neuer Gestalt erfolgreich mit dem klassischen Erbe Weimars an.

Apokalypse Bauhaus

Thomas Bannier, Hochschule für Gestaltung Offenbach, 2:00 Min.
Fünf Menschen werden plötzlich und zeitgleich an ihren Arbeitsplätzen mit dem Bauhaus konfrontiert. Aus der anfänglichen Distanz entsteht eine direkte Hinwendung zum Zuschauer. Das Bauhaus fungiert in einem Feuerwerk aus Farben und Formen als Scharnier zwischen den Tätigkeiten der Protagonisten. „Apokalypse Bauhaus” wurde als 360° Ganzkuppel-Projektion beim 3. Full-Dome-Festival in Zeiss-Planetarium Jena im Sonderprogramm „Bauhaus in den Sternen” gezeigt. http://www.fulldome-festival.de