7 Fragen an Herbert Wentscher
anläßlich der Ausstellung »Lunarium« im Museum für neue Kunst, Freiburg, 2001
Wie wichtig ist für Ihre Arbeit die Alltagskultur?
– Sehr wichtig. Ich gehe ebenso gerne ins Kaufhaus wie ins Museum. Hochkultur und Massenkultur gehören zusammen. Sie beeinflussen sich gegenseitig, bauen Spannung auf. Aus dem Mix von Trivialität und Bedeutsamkeit ziehe ich auch Material für meine Arbeit.
Sie arbeiten mit den unterschiedlichsten Medien. Haben Sie so etwas wie eine bildnerische Lieblingstätigkeit?
– Gerade der Wechsel der Medien interessiert mich. Handgemachtes und Vorgefertigtes, Zwei- und Dreidimensionales, stehende und bewegte Bilder, diese Mischung entspricht meiner Welt.
Das Lunarium könnte man auch als Lichtinstallation bezeichnen. Welche Rolle spielt das Licht in Ihrem Werk?
– Fotos und Videos sind ja bereits Lichtbilder, in der Malerei hat mich die Darstellung von Lichterscheinungen interessiert. Technisches Licht, gemaltes Licht, beides ist Annäherung an etwas, das ungreifbar und wunderbar ist. Mal arbeite ich mit »Mehr Licht!«, mal mit weniger Licht, und manchmal ist weniger mehr, wie beim Lunarium. Es war übrigens nicht einfach, die Leuchtröhren herunterzudimmen, dafür sind sie nicht gemacht.
Bisher gaben Sie dem Betrachter eher die Möglichkeit, sich aus »sicherer« Distanz mit ihren oft hintergründigen Kommentaren zu gesellschaftlichen Konventionen oder Wahrnehmungsgewohnheiten auseinander zu setzen. Nun ist er direkt zum Teilnehmen aufgefordert, wird Teil des Werks. Hängt das Konzept des Lunariums davon ab, ob oder wie es »benutzt« wird?
– Als Kunstbetrachter ist man ja eigentlich immer »Teilnehmer«. Hier wird das noch pointiert. Frage ist, wie weit man die Teilnahme betreiben möchte. Das Lunarium ist ja auch ein Verunsicherungsinstrument. Ich freue mich natürlich, wenn das Angebot angenommen wird und die Besucher möglichst offen sind und ihren eigenen Erfahrungen vertrauen. Ich glaube, das Konzept wirkt aber auch, wenn man sich nicht in das Lunarium legt. Möglicherweise verheißt es vorher mehr, als es dann einlöst! Enttäuschung und Erkenntnis liegen ja oft nahe beieinander...
Ihre Installation befindet sich mitten in der Schausammlung mit Bildern unterschiedlichster Stilrichtungen aus dem letzten Jahrhundert. Fühlen Sie sich nicht deplaziert?
– Im Gegenteil. Mit Mondlicht betrachtet, verblassen ja die Stilunterschiede, der Blick fürs Wesentliche wird geschärft. Umgekehrt geben die Bilder dem Lunarium einen ästhetischen Kontext, in dem es seine Wirkung entfalten kann.
Wenn nun Museumsbesucher Gefallen an Ihrem Mondstudio finden, könnten Sie sich vorstellen, dass es zur Serienreife entwickelt wird?
– Warum nicht! Wenn Kunst die Anregung zu einem Gebrauchsgegenstand ist, finde ich das interessant.
Könnten Sie unseren Besuchern eine Empfehlung zum »richtigen« Umgang mit dem Lunarium geben?
– Das Lunarium ist rezeptfrei, jedenfalls in dem Sinn, dass jeder seinen eigenen Umgang damit bestimmen muss. Auch wer sich nicht selbst auf die Mondliege begibt, kann über das Lunarium Betrachtungen anstellen. Wer sich hinlegt, entscheidet selbst, wie weit er sich einlässt. Am besten keine Erwartungen haben und schauen, was passiert!